Angriff auf das Hormonsystem

Februar 1996
Ort: 
Studie für Greenpeace e.V, Hamburg
Sprache: 
Deutsch
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Die Studie stellt für sieben Tierarten aus aquatischen bzw. marinen Lebensräumen Europas (Nord- und Ostsee) sowie der Polarregion Indizien und Nachweise für chemikalienbedingte Reproduktionsschäden zusammen. Untersuchte Arten: Seestern und Wellhornschnecke als Vertreter der Stachelhäuter bzw. Mollusken; zwei Fischarten (Hering, Regenbogenforelle), eine Vogelart (Flußseeschwalbe) sowie Seehund (und andere Robben) und Eisbär als Säuger. Die Studie beruht auf einer umfassenden Literaturauswertung und Expertenbefragung. Bei allen Arten wurden auch Befunde aus nichteuropäischen Lebensräumen berücksichtigt.

Bei sechs der sieben untersuchten Arten sind reproduktionsschädigende Effekte durch verschiedene Umweltchemikalien nachgewiesen; bei Eisbären werden sie vermutet. In fünf dieser Fälle spielten z.T. Störungen der Hormonbalance durch Umweltchemikalien, die das hormonelle System angreifen, sowie hormonähnliche Wirkungen von Schadstoffen eine Rolle. Bei den Schadstoffen handelt es sich, soweit untersucht, in der Hauptsache um PCBs, DDT und andere Pestizide sowie verschiedene Schwermetalle. Chlororganika spielen eine bedeutende, jedoch nicht die einzige Rolle. Nichtchlorierte Verbindungen sind neben den Schwermetallverbindungen (wie Cadmium, TBT) z.B. Alkylphenole oder, aus experimentellen Untersuchungen bekannt, Phthalate (PVC-Weichmacher) und andere konsumnahe synthetische Stoffe. Die öffentliche Diskussion über reproduktionsschädigende Wirkungen von Umweltchemikalien und -hormonen wurde bisher in starkem Maße durch spektakuläre Schadbilder aus Feld-Beobachtungen bestimmt. Die bis zu Sterilität und lokal-regionalem Aussterben reichenden TBT-Effekte bei der Wellhornschnecke (die auch für viele andere Schneckenarten berichtet werden) unterstreichen, daß hormonschädigende Chemikalien solche massiven Wirkungen entfalten können. Die vorliegenden Beobachtungen verweisen jedoch auf eine viel breitere Basis schleichender und möglicherweise synergistischer Effekte von Umweltchemikalien und -hormonen, die neben anderen Faktoren (wie Habitatzerstörung, Überfischung) die Reproduktivität vieler Arten einschränken (deutlich z.B. bei Seehunden). Sie äußern sich nicht in sofort augenfälligen Populationseinbrüchen, tragen aber zur Erosion des Artenbestandes bei.

Schlagwörter: 
Umwelthormone
endokrine Effekte
Reproduktionsschäden
endocrine disruptors
Umweltchemikalien
Artensterben
TBT
PCB
DDT