Die fluorierten Verbindungen Schwefelhexafluorid (SF6), perfluorierte Fluorkohlenwasserstoffe (PFC) und wasserstoffhaltige Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW) sind Treibhausgase, deren Reduktion im Rahmen der Klimarahmenkonvention beschlossen wurde. Die Studie prognostiziert für Deutschland die Emissionsentwicklung 1995-2010 mit und ohne zusätzliche emissionsmindernde Maßnahmen. Nach dem Business-as-Usual-Szenario steigen die Emissionen der drei fluorierten Treibhausgase 1995-2010 von 11,1 auf 27,4 Mio. t CO2-Äquivalente. Der Anstieg wird zu 72% von HFKW getragen, die vor allem in der Kälte- und stationären Klimatechnik, mobilen Klimaanlagen, zur Schäumung von extrudiertem Polystyrol (XPS) und bei PU-Montageschaum eingesetzt werden. Größter SF6-Emittent sind Schallschutzscheiben, die meisten PFC-Emissionen stammen aus der Halbleiterindustrie und der Aluminiumherstellung. Auch nach dem Minderungsszenario wird eine Stabilisierung der Emissionen fluorierter Gase nicht erreicht. Lediglich ihr Anstieg verlangsamt sich. Er verläuft von 11,1 auf 14,9 Mio. t CO2-Äquivalente. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verlangsamung des Emissionsanstiegs sind bei Kälte- und stationären Klimaanlagen eine Wartungspflicht, bei mobilen Klimaanlagen der Kältemittel-Ersatz von HFKW durch CO2, bei der XPS-Schäumung die partielle HFKW-Substitution durch CO2 und Ethanol, bei PU-Montageschaum der 95%-ige HFKW-Ersatz durch brennbare Kohlenwasserstoffe. Im Bereich der Schallschutzscheiben wird ein völliger SF6-Verzicht für möglich gehalten. Auch die PFC-Emissionen der Halbleiterindustrie können durch neue Verfahren der Prozeßkammer-Reinigung um 85% sinken.
Emissionen und Minderungspotential von HFKW, FKW und SF6 in Deutschland
Zusammenfassung
Ausgehend von den aktuellen Verbräuchen und Emissionen der drei fluorierten Treibhausgase HFKW, SF6 und PFC in Deutschland zwischen 1995 und 1997 wird für jeden einzelnen ihrer Anwendungssektoren eine Emissionsprognose mit und ohne emissionsmindernde Maßnahmen bis zum Jahr 2010 erstellt.
Ein Business-as-Usual-Szenario nimmt an, daß gegenwärtige Nutzungstrends einschließlich heute bereits eingeleiteter Emissionsminderungen anhalten und schreibt diese bis 2010 fort. In einem Minderungsszenario werden aus heutiger Sicht realisierbare Potentiale zur Emissionsdämpfung oder Substitution in jedem einzelnen Sektor ausgeschöpft. Es werden nur solche Emissionsminderungen berücksichtigt, die nicht durch Nachteile an anderer Stelle in ihrer ökologischen Wirkung aufgehoben werden.
Eine Stabilisierung der Emissionen fluorierter Gase wird weder im BaU- noch im Minderungsszenario erreicht. Durch Minderungsmaßnahmen kann jedoch ihr Anstieg um 150% zwischen 1995 und 2010 auf einen Anstieg um etwa 34% begrenzt werden.
1. Emissionen 2010 von HFKW, FKW und SF6 im BaU-Szenario
Im BaU-Szenario steigen die Emissionen von HFKW, SF6 und PFC bis 2010 insgesamt von 11,1 auf 27,4 Mio. t CO2-Äquivalente oder um 146% an (s. Tabelle I).
Am stärksten nehmen erwartungsgemäß die HFKW-Emissionen zu, die erst seit 1990 gezielt als Nachfolgestoffe für FCKW und HFCKW hergestellt werden. Sie wachsen von 1995 bis 2010 von 3,1 Mio. t CO2-Äquivalente auf 19,8 Mio. t oder etwa um den Faktor 6. Der Anstieg der Gesamtemissionen der fluorierten Treibhausgase wird im wesentlichen duch die HFKW getragen (s. Tabelle I und Diagramm I).
Die SF6-Emissionen sinken im gleichen Zeitraum von 6,2 auf 5,0 Mio. t CO2-Äquivalente. Das ist ein Rückgang um 19%. Die PFC nehmen dagegen bis 2010 um 43% zu, nämlich von 1,8 auf 2,5 Mio. t CO2-Äquivalente.
Emissionsquellen verschiedener Größe im BaU-Szenario
Über 86% der Emissionen fluorierter Treibhausgase oder 23,6 Mio. t CO2-Äquivalente sind im Jahr 2010 aus den sieben größten der achtzehn Anwendungssektoren zu erwarten. Es sind vier Anwendungen von HFKW, eine Anwendung von SF6 und zwei PFC-Emissionsquellen. Die nachfolgenden Kreisdiagramme stellen sie in ihren prozentualen Anteilen an den Emissionen der drei verschiedenen Treibhausgase dar.
In der Reihenfolge ihrer Emissionsgröße sind die wichtigsten Sektoren (vgl. Tabelle III), gemessen an der Summe der Emissionen aller drei Treibhausgase:
1. Kälte- und stationäre Klimaanlagen (HFKW) |
7,7 Mio. t CO2-Äquiv. |
2. Mobile Klimaanlagen (HFKW) |
4,7 Mio. t CO2-Äquiv. |
3. Schäumung von extrudierem Polystyrol (HFKW) |
3,0 Mio. t CO2-Äquiv. |
4. Schallschutzscheiben (SF6) |
3,0 Mio. t CO2-Äquiv. |
5. Polyurethan-Montageschaum (HFKW) |
2,7 Mio. t CO2-Äquiv. |
6. Halbleiterfertigung (PFC) |
1,4 Mio. t CO2-Äquiv. |
7. Aluminiumherstellung (PFC) |
1,1 Mio. t CO2-Äquiv. |
2. Emissionen 2010 von HFKW, FKW und SF6 im Minderungsszenario
Die HFKW-Emissionen werden in ihrem Anstieg gedämpft. Dieser verläuft von 3,1 auf 10,8 Mio. t CO2-Äquivalente (Tabelle II). Das ist ein Zuwachs um 244% und nicht um 534% wie im BaU-Szenario. Er ist aber noch groß genug, um die Gesamtemissionen aller fluorierten Treibhausgase gegenüber 1995 absolut um 34% wachsen zu lassen, von 11,1 auf 14,9 Mio. t CO2-Äquivalente (Tabelle II).
Im Jahr 2010 beträgt das Minderungspotential der vorgeschlagenen Maßnahmen etwa 12,5 Mio. t CO2-Äquivalente oder rd. 46%.
Das Minderungspotential der einzelnen Emissionsquellen
Für die Umweltpolitik ist außer der Größe der einzelnen Emissionsquellen wichtig zu wissen, welche Sektoren die günstigsten Chancen bieten, treibhauswirksame Emissionen einzudämmen. In der Regel weisen die stärksten Emissionsquellen auch das größte absolute Minderungspotential auf (vgl. Tabelle III).
Fünf der achtzehn Emissions-Sektoren haben in der Periode von 1995 bis 2010 ein Minderungspotential von mehr als 1 Mio. t CO2-Äquivalente: die drei HFKW-AnwendungenKälte- und stationäre Klimatechnik, PU-Montageschaum und XPS-Schäumung, die SF6-Anwendung Schallschutzscheiben und die PFC-Anwendung Halbleiterfertigung (vgl. Tabelle III, rechte Spalte).
Diagramm I: Emissionen der drei fluorierten Treibhausgase 1995-2010 im BaU-Szenario in Mio. t CO2-Äquivalente. Die starke Zunahme der Emissionen bis 2010 auf über 27 Mio. t CO2-Äquivalente wird fast ausschließlich von den HFKW (dunkle Fläche oben) getragen. SF6- und PFC-Emissionen (Flächen darunter) zusammengenommen sinken bis 2001, steigen danach bis 2010 aber wieder an.
Diagramm II: Emissionen der drei fluorierten Treibhausgase 1995-2010 im Minderungsszenario in Mio. t CO2-Äquivalente. Sowohl die SF6- als auch PFC-Emissionen (untere Flächen) sinken zwischen 1995 und 2010. Entscheidend für das Minderungspotential (weiße Fläche oben) ab dem Jahr 2000 ist aber der im Vergleich zu Diagramm I moderate Anstieg der HFKW.
Zu den Sektoren mit Minderungspotential über 1 Mio. t CO2-Äquivalente gehört im Grunde auch die zweitgrößte Emissionsquelle des BaU-Szenarios, die mobilen Klimaanlagen. Zwar liegt ihr Minderungspotential 2010 erst bei 0,8 Mio. t CO2-Äquivalente, aber nur, weil der emissionssenkende Faktor, die Kältemittel-Umstellung von HFKW auf CO2, seine Wirkung erst einige Jahre später voll entfaltet. (Anm.: Nach dem Jahr 2020 könnten HFKW-Emissionen aus mobilen Klimaanlagen ganz wegfallen, was eine Emissionsminderung um jährlich 4,7 Mio. t CO2-Äquivalente bedeutet.)
3. Folgerungen für eine Politik der Emissionsminderung
An dem Umstand, daß die Masse des Minderungspotentials der Emissionen fluorierter Treibhausgase in sechs Anwendungssektoren konzentriert ist, kann sich eine Politik der Emissionsminderung orientieren, wenn sie Schwerpunkte setzen muß. Sie sollte jedoch nicht übersehen, daß in den übrigen zwölf Sektoren immerhin ein Minderungspotential von zusammen 2 Mio. t CO2-Äquivalente enthalten ist.
Die Erinnerung daran ist umso wichtiger, als sich zeigt, daß selbst die Implementierung aller vorgeschlagenen Maßnahmen die Emissionen bis zum Jahre 2010 keineswegs unter den Stand des Bezugsjahres 1995 senken wird. Deutschland hat sich verpflichtet, die Summe aller Treibhausgasemissionen (fluorierte und nichtfluorierte Verbindungen) gegenüber 1995 um 21% zu vermindern. Die Ausschöpfung des hier veranschlagten Minderungspotentials für die drei Gruppen der fluorierten Treibhausgase führt aber sogar zu einer Steigerung der treibhauswirksamen Emissionen um 34%. Dieser Emissionszuwachs muß an anderer Stelle (CO2, CH4, N2O) kompensiert werden. Schon von daher verbietet es sich, irgendeinen möglichen Reduktionsbeitrag treibhauswirksamer Emissionen auszulassen. Vielmehr sind Anstrengungen notwendig, weitere Minderungspotentiale zu erschließen.
Die Bedeutung der Emissionen von HFKW, SF6 und PFC erscheint, gemessen an den deutschen Gesamtemissionen direkter Treibhausgase, relativ gering. Ihr zusammengefaßter Anteil an den Gesamtemissionen - ausgedrückt in CO2-Äquivalenten (nach GWP mit Zeithorizont von 100 Jahren) - betrug 1995 ca. 1 Prozent. Dennoch wäre es aus ökologischer Sicht unangebracht, die fluorierten Treibhausgase zu vernachlässigen. Denn ohne Minderungsmaßnahmen wird sich im Jahr 2010 ihr Anteil an den gesamten direkten Treibhausgasemissionen auf etwa 3 Prozent erhöht haben. Dazu kommt, daß eine Umkehr des Emissionstrends für die mengenmäßig wichtigste Gruppe der fluorierten Gase, die HFKW, mittelfristig nicht in Sicht ist.
Im übrigen ist darauf zu verweisen, daß sich die treibhauswirksamen Gesamtemissionen aus einer Vielzahl von für sich genommen meist kleinen Einzelquellen speisen, die bei der notwendigen Reduktion der Treibhausgase alle auf Minderungsmöglichkeiten zu überprüfen sind.
Anhang
Die Tabellen IV bis VII dienen der Vervollständigung der umweltrelevanten Emissionsdaten der fluorierten Treibhausgase in Deutschland.
Die Tabellen IV und V enthalten die Emissionen für die Stichjahre 1995, 2000, 2005 und 2010 in Tonnen pro Jahr: Tabelle IV nach BaU-Szenario und Tabelle V nach Minderungsszenario.
Die Tabellen VI und VII enthalten die realen Emissionen der Jahre 1995 bis 1997: Tabelle VI in Tonnen pro Jahr und Tabelle VII in Mio. t CO2-Äquivalente.
Mit den genannten sechs Maßnahmen könnten bereits 84% des gesamten Minderungspotentials (12,5 Mio. t CO2-Äquivalente) ausgeschöpft werden (Tabelle III, rechts).
Im Minderungsszenario sinken bis 2010 nicht nur die Emissionen von SF6, sondern auch von PFC gegenüber dem Bezugsjahr 1995. Die SF6-Emissionen halbieren sich, indem sie von 6,2 auf unter 3,0 Mio. t CO2-Äquivalente zurückgehen (Tabelle II). Die PFC-Emissionen sinken von 1,8 auf 1,1 Mio. t CO2-Äquivalente oder um 35%, statt - wie im BaU-Szenario - um 43% zu steigen.
- Das größte Minderungspotential hat die Kälte- und stationäre Klimatechnik, die zugleich größte Emissionsquelle im BaU-Szenario ist. Die Emissionen nach dem Minderungsszenario betragen im Jahre 2010 statt 7,7 Mio. t CO2-Äquivalente nur noch 4,1 Mio. t - 3,6 Mio. t weniger als im BaU-Szenario. Die Minderung resultiert aus einer allgemeinen Wartungspflicht für Kälte- und Klimaanlagen über 1 kg Kältemittel. Diese allein senkt die Gesamt-Emissionen von HFKW, PFC und SF6 (27,4 Mio. t CO2-Äquivalente) um 13%.
- Um 9% sinken die Emissionen durch teilweise HFKW-Substitution bei Treibmitteln für PU-Montageschaum, und zwar durch einen 95%-igen Ersatz durch einfache Kohlenwasserstoffe. Dadurch können HFKW-Emissionen im Umfang von 2,7 Mio. t CO2-Äquivalente auf 0,2 Mio. t zurückgeführt werden.
- Auch der drittgrößte Minderungseffekt gegenüber dem BaU-Szenario ergibt sich durch HFKW-Substitution. Wird bei rd. 40% der XPS-Schaumplatten auf HFKW zugunsten CO2 plus Ethanol als Treibmittel verzichtet, können die Emissionen aus dieser Anwendung von 3 Mio. t CO2-Äquivalente auf 1,7 Mio. t sinken. Die Emissionen aller betrachteten fluorierten Gase im Jahr 2010 (27,4 Mio. t CO2-Äquivalente) gingen mit dieser Maßnahme um 1,3 Mio. t CO2-Äquivalente oder um 5% zurück.
- Die viertgrößte Minderung der BaU-Gesamtemissionen kann in der Halbleiterindustrie bewirkt werden, wenn ab dem Jahr 2000 die Reinigung der Prozeßkammern konsequent auf ein neues Verfahren (Reinigung mit im Mikrowellenplasma vorgespaltenem NF3) umgestellt wird. Von 1,4 Mio. t CO2-Äquivalente sinken die PFC-Emissionen auf weniger als 0,2 Mio. t CO2-Äquivalente. Die gesamten Emissionen der fluorierten Gase HFKW, PFC und SF6 würden dadurch um über 4% gesenkt.
- Ein Minderungspotential von 1 Mio. t CO2-Äquivalente könnte erschlossen werden, wenn zur Schalldämmung von Isolierglas kein SF6 mehr neu eingesetzt wird. Von den 3 Mio. t CO2-Äquivalente, die in 2010 aus Schallschutzscheiben emittieren, bleiben zwar noch 2 Mio. t Emissionen aus der jährlichen Fensterentsorgung. Es fallen aber die hohen Befüllungsverluste weg.