FCKW adé. Vollständige Substitution von FCKW in Medikamenten wird bis 2005 dauern

April 1997
Ort: 
Zeitung für Umweltmedizin (5) 4/97, S. 218
Autor: 
Winfried Schwarz
André Leisewitz
Sprache: 
Deutsch

Im Jahre 1995 wurden in Deutschland in ca. 70 Millionen Asthmasprays 1000 Tonnen FCKW abgefüllt. Da mit Boehringer-lngelheim in Deutschland eines der weltweit größten Unternehmen für Asthmamedikamente produziert, ist der Exportanteil sehr hoch. Der aus Eigenproduktion und Importen gebildete Inlandsverbrauch lag bei 400 t, worunter sich 180 t FCKW in Spraydosen befanden, die im Ausland abgefüllt wurden.

Die Pharma-Riesen denken um

Insgesamt boten 1995 über 20 Unternehmen FCKW-haltige Dosieraerosole in einer oder mehreren Wirkstoffgruppen an. Die Hauptmasse des Inlandsverbrauchs, nämlich 325 t oder 83 Prozent der versprühten FCKW, wurde in Sprays der fünf Firmen verkauft, die Mitglied der AIDA (Arbeits- und Informationsgruppe Dosier-Aerosole) sind: Boehringer Ingelheim, GlaxoWellcome, RPR/ Fisons, Asta Medica und 3M Medica .

Durch den sich abzeichnenden Bann über FCKW bemühten sich die international führenden Pharmaunternehmen seit Anfang der 90er Jahre um neue Aerosol-Treibmittel. In zwei Konsortien "IPACT 1" und "IPACT 2" untersuchten sie die Treibmittel HFKW 134a und 227 auf ihre Tauglichkeit als FCKW-Ersatzstoffe. Toxizitätsstudien und klinische Prüfungen sind abgeschlossen, die Treibgase sind nun für Arzneimittelformulierungen verfügbar.

Seit April 1996 ist auf dem deutschen Markt ein erstes HFKW-getriebenes Dosieraerosol vertreten. Es wurde von dem US-Konzern 3M entwickelt und wird von 3M Medica und Asta Medica angeboten. Damit ist der Umstieg von FCKW auf HFKW in Gang gekommen, auch wenn er bisher zögerlich verläuft.

Seit Juni 1997 ist auch der Weltmarktführer Glaxo Wellcome auf die neue Treibgastechnologie umgestiegen. Nach einer Übergangszeit bis Anfang nächsten Jahres will das Unternehmen dann bei den Produkten, für die es Alternativen gibt, ganz auf FCKW-haltige Sprays verzichten.

Mit einer breiten Markteinführung für die wichtigsten Wirkstoffgruppen durch die marktbedeutenden Unternehmen ist nach Einschätzung von Glaxo Wellcome in den Jahren 1998 bis 2000 zu rechnen. Die vollständige FCKW-HFKW-Substitution dürfte sich bis nach 2005 hinziehen.

HFKW galten wegen ihres FCKW-ähnlich hohen Beitrags zum Treibhauseffekt von Anfang an als ökologisch problematisch. Auftrieb erhielt daher auch eine andere Entwicklung.

Pulverinhalations-Systeme als Alternative

Die forcierte Suche nach FCKW-freien und dennoch gleichwertigen Verfahren führte zu einem Innovationsschub, der auf eine Optimierung der Pulverinhalation hinauslief. Dabei war die skandinavische Pharmaindustrie besonders aktiv. 1990 brachte das schwedische Unternehmen Astra erstmals einen Pulverinhalator auf den deutschen Markt, der 200 Einzeldosen eines bronchialerweiternden Wirkstoffs für die Akuttherapie abgibt.

1993 folgte das gleiche Gerät mit einem Steroid-Wirkstoff für die Basistherapie. 1995 und 1996 folgte auf dem deutschen Markt die aus Finnland stammende Orion Pharma mit einem neuartigen, dem Spray-Gerät ähnlichen Pulverinhalator für ebenfalls 200 Einzeldosen, der für beide Wirkstoffgruppen verfügbar ist. Dieses Unternehmen hat bisher als einziger Atemwegsspezialist ganz auf Treibgas-Sprays verzichtet, denen es langfristig wenig Chancen zubilligt.

Seit Anfang 1996 bietet auch Glaxo Wellcome neben seinen FCKW-haltigen Sprays einen Pulverinhalator für 60 Einzeldosen an, ebenfalls für bronchialerweiternde und entzündungshemmende Wirkstoffe. In Vorbereitung sind drei weitere vielfach dosierbare Pulverinhalatoren.

Damit gibt es auch in Deutschland einen gewissen Pulvertrend, der das Marktpotential für Treibgas-lnhalatoren begrenzt. Gegenüber anderen Industrieländern ist der Pulveranteil, bezogen auf die inhalativ therapierten Patienten, gering.

Internationale Marktanteile schwanken

Der Pulveranteil lag 1992 erst bei 3,7 Prozent, während damals die Niederlande 57 Prozent, Norwegen 40,8 Prozent und Schweden 60 Prozent aufwiesen. Auf den beiden weltgrößten Pharmamärkten, in den USA und in Japan, spielen Pulverinhalatoren mit 0,6 bzw. 0,7 Prozent eine noch geringere Rolle. Im Jahre 1996 erreichte in Deutschland der Pulveranteil bereits 10 Prozent, in Schweden liegt er heute bei etwa 90 Prozent.

Nach Einschätzung der auf Sprays setzenden AIDA-Mitgliedsfirmen könnten zwar die HFKW 134a und 227 in Zukunft zwar die FCKW voll ersetzen. Allerdings wird der Anteil von Pulverinhalatoren durch weitere Neuentwicklungen in den nächsten Jahren kontinuierlich zunehmen, so daß davon auszugehen ist, daß sich der Anteil der HFKW entsprechend verringert.

Die AIDA-Firmen rechnen bis 2010 mit einem Pulveranteil von 40 bis 50 Prozent. Ein schnelleres Durchsetzungstempo und Marktanteile für Pulver bis über 70 Prozent erwarten dagegen die Unternehmen mit erster Priorität auf Pulverinhalatoren, nämlich Astra und Orion Pharma.

Aktualisierter Auszug aus dem Forschungsbericht "Aktuelle und künftige Emissionen treibhauswirksamer fluorierter Verbindungen in Deutschland" für das Bundesumweltministerium